Nein, nein, nein
Unser Kleinkind ist in die Autonomiephase eingetreten. Heftig. Und obwohl ich die Geduld in Person bin, muss ich meiner Tochter attestieren, dass sie mich aktuell täglich so richtig fertig macht. Ich bin abends einfach komplett platt.
Unser Mädchen ist grundsätzlich sehr friedlich und fröhlich. Aber aktuell lauern überall Fallstricke. Situationen aus denen wir ohne Geschrei und Gebrüll nicht wieder herauskommen. Beispiel: Wir haben eine Kinderschaukel auf der Terrasse. Da möchte sie ständig rein. Das darf sie auch. Ausgiebig. Aber wenn ich dann nach einer Stunde oder mehr versuche sie da wieder rauszuholen (weil wir einkaufen, essen, schlafen, baden oder zum Play-Date müssen), dann bricht die Hölle los. Ich habe keine Chance sie zu überreden. Erklärungen will sie nicht gelten lassen. Dabei bin ich mir zu 100% sicher, dass sie ganz genau versteht, was ich ihr sagen will. Ich habe es dann natürlich auch auf die „grobe Art“ versucht. Ich wollte sie einfach rausziehen. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht und der Schreikrampf wollte nicht mehr enden. Sie hat sich dermassen hineingesteigert, dass ich ihr anschliessend Globuli zur Beruhigung gegeben habe. Aber das kann nicht die Lösung sein. Ich habe mir vorgenommen, es nie wieder auf diese Art zu versuchen.
Zwischenzeitlich haben wir die Schaukel abgehängt und verschwinden lassen. Das Ding war ein rotes Tuch. Leider hat sie mich im letzten Moment noch dabei erwischt wie ich die Karabiner ausgehängt habe (Link zu unserer Schaukel: https://amzn.to/3TzIBjo).
Ihr Geschrei klingt mir jetzt noch in den Ohren. Und als ich des nachts in ihr Zimmer schlich um das Fenster zu schliessen hörte ich sie im Schlaf „schaukele“ sagen. Das war creepy! Die eine Sache mit der Schaukel haben wir umgangen. Das wird aber nicht mit jedem Problem so einfach werden. Zur Zeit will sie morgens ihren Pyjama nicht ausziehen. Ich habe per Zufall herausgefunden, dass sie sich sehr gerne auf dem Sofa auf eine Decke legt. Da hatte ich dann die Erlaubnis, ihr um 11 Uhr normale Kleidung anzuziehen.
Tags drauf hatte unsere Tochter die Windeln voll. Das grosse Geschäft. Sie wollte sich partout nicht wickeln lassen. Kein Locken, überzeugen und überreden hat geholfen. Jetzt haltet euch fest. Erst als ich vorgegeben habe zu weinen, konnte ich sie vorsichtig hinlegen und die Windel wechseln. Das kann auch nicht die Lösung sein, völlig klar. Aber in der einen Situation hat es geholfen. Und mit solchen „Lösungen“ hangle ich mich aktuell durch die Tage. Mehr oder weniger pädagogisch wertvolle Lösungen. Keine Mutter wünscht sich, dass das Kind möglichst schnell grösser wird und mehr versteht. Dennoch freue ich mich auf die Zeit in der man mit dem Kleinkind reden kann, Dinge erklären und verhandeln kann. Wie sollte ich sonst die nächsten 2-3 Jahre überstehen? Lösungen sind rar und wie eben beschrieben bin ich über die meisten nur zufällig gestolpert. Meine Lernkurve ist die letzten Tage steil gestiegen. Ich lerne mein Kind nochmals völlig neu kennen.
Dinge die bei uns funktionieren oder für kurze Zeit funktioniert haben:
Situation Hose anziehen:
Mama fragt Kleinkind: „Meinst du, du kannst dieses Loch in der Hose treffen?“ Ich fordere das Kind heraus, provoziere ein bisschen und in 9 von 10 Fällen nimmt sie die Herausforderung an und stösst sofort ihr Bein ins Hosenbein.
Situation Windeln wechseln:
Ich frage mein Kind was passiert, wenn wir die Windel nicht wechseln. Antwort: Popo wird rot. Da hatte sie 5-6x Verständnis dafür und hat sich wickeln lassen.
Lege 10 Pixie-Büchlein auf den Wickeltisch die dein Kind nur dann in die Finger bekommt, wenn es sich wickeln lässt.
Kind lässt sich nicht mehr auf dem Wickeltisch wickeln:
Sofa, Elternbett oder Boden anbieten. Klappt bei uns seit Monaten recht gut. Ich gebe dem Kind nicht die Wahl OB es gewickelt werden möchte, sondern wo. Wenn Drittpersonen anwesend sind die dein Kind mag, versuchen durch Drittpersonen wickeln zu lassen.
Jacke/Mütze/Handschuhe nicht anziehen wollen:
Das Kind die Kälte, resp. das Wetter spüren lassen. Türe nach draussen öffnen. Im Treppenhaus, vor der offenen Türe lässt sich unsere Tochter meist problemlos anziehen. Vorbeigehende Passanten, Fahrzeuge oder andere Kinder lenken zusätzlich ab.
Wie auch immer, Fallen lauern aktuell wirklich überall. Sei es die TV-Fernbedienung, die Hydro-Kügelchen in den Pflanztöpfen, verschlossene Schränke, die falschen Schuhe, das Pyjama, die Windel oder dass ich sie nicht mit dem scharfen Küchenmesser hantieren lasse. Und auch wenn das Geschrei aktuell noch so gross ist. Wir müssen unsere Kinder ernst nehmen und ihnen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen, eigentlich nicht anders, als mit anderen Mitmenschen. Ich versuche ruhig und auf gleicher Höhe mit meiner Tochter zu kommunizieren. Ich nehme sie falls nötig und gewünscht in den Arm oder auf den Schoss. Sie darf weinen, sie darf „Frust“ kennenlernen. Das ist wichtig. Und genauso wichtig ist es, wie wir mit dem Kind in genau diesen Situationen umgehen. Nimm dein Kind ernst, auch wenn es für dich in der Situation nervig oder ärgerlich ist. Für dein Kind geht da eventuell grad eine kleine Welt unter und es soll nicht darauf konditioniert werden, dass seine Sorgen „nicht wichtig“ oder „albern“ sind. Die Methode der „Ablenkung“ ist indes mit weiteren Fallstricken versehen und ich rate daher davon ab. Stell dir einmal vor, dein erwachsener Partner unterbricht eure Meinungsverschiedenheit mit „Oh, schau mal! Ein Eichhörnchen!“ Das suggeriert: „Ich nehme dich nicht ernst, ich halte dich für dumm oder ich finde deine Sorgen, Einwände und Argumente sind nicht wichtig.“ Das hat dein Kind und auch niemand sonst verdient.