Die Geburt

Mein Krankenhaus-Eintritt war am 27. Oktober 2022. Das war mein errechneter Geburtstermin (ET). An diesem Tag sollte eine routinemässige Untersuchung stattfinden, sofern das Kind bis dahin noch nicht auf der Welt war. So habe ich das Krankenhaus nichtsahnend betreten und mich in die Frauenklinik im 4. Stock des Gebäudes begeben. Wie schon bei sämtlichen anderen Untersuchungen bei meiner Frauenärztin hatte ich auch an diesem Tag sehr hohen Blutdruck. Sie hatte das jeweils zur Kenntnis genommen und mich gebeten die Drücke regelmässig zu Hause zu messen. Zu Hause waren Sie immer tiefer, aber immer noch teilweise zu hoch. Sie meinte, dass ich mich nach der Geburt mal damit befassen müsse, damit mein Herz langfristig keinen Schaden nimmt. Auf jeden Fall war zudem in meiner Urin-Probe wohl Eiweiss nachgewiesen worden. In Kombination mit meinem Alter (Ü40) hat die zuständige Ärztin mir nahegelegt, dass ich mich jetzt sofort stationär aufnehmen lasse, weil ein Verdacht auf eine Schwangerschaftsvergiftung bestehe. Die Geburt müsse eingeleitet werden.

ich war platt!

Ich war schockiert und natürlich haben mir just in diesem Moment mal wieder die richtigen Worte gefehlt. Ich habe einfach absolut nicht damit gerechnet dass es heute losgehen soll. Ich war im Kopf nicht bereit. Völlig klar, eine Geburt kann man nicht planen (zumindest eine natürliche Geburt nicht). Aber wenn die Situation dann da ist, ist es ein kleiner Schock. Ich habe mich in mein Schicksal gefügt und wurde zur Aufnahme in ein kleines Untersuchungszimmer gebracht. Dort hat man mir einen Zugang in den Handrücken gelegt.

Nach der Aufnahme habe ich meinen Mann angerufen. Wir haben gescherzt, dass es jetzt Zeit wäre, seine Arbeit liegen und fallen zu lassen. Little did we know! haha

Die Warterei ging los und obwohl ich von vielen gehört habe, dass das Einleiten seine Zeit brauche, habe ich nie im Leben damit gerechnet, dass ich 7 Tag im Krankenhaus liegen würde, bevor ich mit meiner kleinen Familie nach Hause kann. Aber alles der Reihe nach. Am ersten Abend wurde mir um 19 Uhr ein Zäpfen gelegt, das wehenfördernd sei. Ich war voller Vorfreude und Erwartung. Mein Mann hat mit mir im riesigen Gebärzimmer übernachtet, wir haben ja fest daran geglaubt, dass es in wenigen Stunden losgeht. Wegen meinem konstant viel zu hohen Blutdruck hat man mir per Tropf Magnesium verabreicht. Ich war also immer mit dem Beutelständer und den dazugehörigen Schläuchen verbunden. Der Blutdruck wurde mir in den nächsten 7 Tagen mindestens alle zwei Stunden gemessen, teilweise auch in der Nacht. Ratet mal, was das mit mir gemacht hat. Ich war ein Nervenbündel. Das hat mich kaputt gemacht.

24h nach Einsetzen des ersten Miso-Zäpfchens hat eine Hebamme kontrolliert, ob sich mein Muttermund geöffnet hat. Sie hat kurz und knapp mitgeteilt, dass der Muttermund komplett geschlossen sei. Das war zuviel für mich. Meine Hoffnungen und falschen Erwartungen sind wie eine riesige, kalte Welle über mir zusammengebrochen. Ich war unfassbar enttäuscht und traurig. Die Tränen liefen mir in Bächen die Wangen runter und ich konnte mich nicht mehr beruhigen. Mein Mann war komplett hilflos, er konnte nichts machen und musste mir einfach zuschauen, wie ich in meinem Elend versank. Was ist da wohl mit meinem Blutdruck passiert? Ich sah den Hebammen an, dass sie besorgt waren. Mir wurde behutsam ein neues Miso-Zäpfchen gelegt und in dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Baldrian zu mir genommen. Die junge Hebamme hat mir, das weiss ich heute, eine sehr hohe Dosis aufs Tablett gestellt. Es hat mich etwas beruhigt und ich habe ein paar wenige Stunden in dem viel zu kleinen und kurzen Bett geschlafen.

Tagsüber habe ich mich mit dem Handy abgelenkt, damals habe ich noch Handy-Spiele gespielt, etwas das heute undenkbar ist. Die Kleine lässt mir tagsüber schlicht keine Gelegenheit, mich ein paar Minuten ungestört hinzusetzen. Zudem liebt sie sämtliche Formen von Elektronik und würde mir das Handy sofort wegnehmen wollen. Mit einem Schmunzeln und ganz wenig Wehmut denke ich an meine kinderlose Zeit und all die tollen und selbstverständlichen Freiheiten zurück. Natürlich haben sich an meinem dritten Tag im Krankenhaus bereits erste Freunde und Bekannte gemeldet und sich nach uns erkundigt. Normalerweise verlässt eine Frau nach drei Tagen das Krankenhaus wieder. Ich leider nicht. Auch das 3. Miso-Zäpfchen hat bei mir nicht angeschlagen. Es gab zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis, dass die Geburt bald losgehen würde. In den folgenden zwei Tagen hat man es noch mit einem anderen Medikament in Tablettenform versucht (ebenfalls vaginal verabreicht).

Am 5. Tag kam die behandelnde Chefärztin frühmorgens zur Visite und wir haben besprochen, dass wir noch den Ballon ausprobieren und den Wehentropf anhängen. Ich sah an dem Tag schrecklich aus. Mein Gesicht, die Hände und Füsse waren aufgedunsen. Ich habe mich gefühlt wie kurz vor dem Platzen. Das hat auch meine Ärztin festgestellt und gemeint, dass wir nicht mehr lange warten dürfen. Sie gehe davon aus, dass ich bereits eine Schwangerschaftsvergiftung hätte. Auf Anraten der Ärztin habe ich auf mein Frühstück verzichtet.

Lange waren die Herztöne unserer Kleinen gut. Und solange das so war, gab es noch keinen Grund zur Eile oder Panik. Ich hing sehr regelmässig am CTG. Wehen wurden dabei aber keine aufgezeichnet. Bei mir wurden immer nur super schwache Kontraktionen gemessen und ich hatte während der gesammten 7 Tage im Krankenhaus keine einzige schmerzhafte Wehe. Nachmittags um 15 Uhr, nach 6h am Wehentropf, ohne eine einzige spürbare Wehe kam wieder meine Ärztin vorbei. Sie attestierte mir einen zu 100% geschlossenen Muttermund sowie eisernen Durchhaltewillen und dass wir nun alle Möglichkeiten, eine natürliche Geburt einzuleiten, ausgeschöpft hätten. Sie werde nun den OP für meinen Kaiserschnitt reservieren. Ich war erleichtert. Ich war grundsätzlich immer für beide Geburtsmöglichkeiten offen aber natürlich dennoch enorm aufgeregt, dass es jetzt auf die OP hinauslaufen würde. Mein Blutdruck ging ab diesem Moment durch die Decke. Um mich herum wurde es hektisch. Man wollte das Baby holen, bevor eine Not-OP dazwischen kommen könnte. Zwischen Tür und Angel wurde ich über Ablauf und Risiken etc. aufgeklärt. Plötzlich stand eine ältere Hebamme neben mir und eröffnete mir, dass sie mich bei der Geburt begleiten und das Baby für uns entgegen nehmen würde. Ich wurde umgebettet und in den Lift gefahren.

Im Kreissaal angekommen haben uns ca. 10 Leute empfangen. Ich wurde erneut umgebettet und ein weiteres Mal über die Vorgänge, Abläufe und Risiken aufgeklärt. Mein Blutdruck wurde zum Problem. Mittels Zugang in meinem Handrücken hat man mir enorme Mengen an Blutdruck senkenden Medikamenten verabreicht. Mein Herz hat eine gefühlte Ewigkeit einfach nicht reagiert. Sie mussten mindestens 3x nachdosieren. Heute weiss ich, dass ich knapp an einer Not-Sektio vorbeigeschliddert bin. Hätte sich mein Blutdruck nicht gesenkt, wäre nur die Vollnarkose geblieben und ich hätte nichts von der Geburt meiner Tochter mitbekommen.

Wie auch immer, mein Herz-Kreislaufsystem hat sich beruhigt, auf einen hohen Normalwert beim Blutdruck. Ich bekam meine Betäubung ins Rückenmark. Das war jetzt nicht angenehm und ich habe wohl ziemlich gezittert, aber es war auch nicht besonders schlimm für mich. Ich habe einfach gedacht ich lasse das jetzt über mich ergehen. Ich wollte dass die Ärzte arbeiten können damit das alles endlich vorbeigeht. Der Rest ist Geschichte, es ging schnell und ich habe ausser dem „ruckeln“ nichts von der Geburt gespürt. Mein Mädchen war um 17:06 Uhr da. Sie war leicht blau und wurde darum zuerst aus dem OP zu einem Arzt von der Neonatologie gebracht. Mein Mann war da mit dabei und konnte mir bestätigen, dass alles in Ordnung sei. 5 Minuten später lag sie auf meiner Brust.

Für die nächsten zwei Tag wurde ich auf die Wöchnerinnen-Abteilung gebracht. Dazu schreibe ich aber einen separaten Blogpost.

Wie ist deine Geburt verlaufen? Was hat dir geholfen und wie hast du die Geburt verarbeitet? Jemand, ich weiss leider nicht mehr wer, hat mir mal gesagt, dass man als Frau erst gebären sollte, wenn man die eigene Geburt richtig verarbeitet habe. Wie soll das gehen?

Und was meinst du?

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